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Montag, 16. Mai 2016

Endgerätezwang bei Swisscom. Eine Zwischenbilanz

Endgerätezwang bei Swisscom. Eine Zwischenbilanz


Am 1. März 2015 berichtete diese Seite über den Routerzwang bei Swisscom. Nach über einem Jahr ist es Zeit die Entwicklungen zu bilanzieren und einen Zwischenbericht zu erstellen.

Liebe Schweizer Bürger, Kunden der Swisscom, Politiker, Stakeholder und Mitarbeitenden der Swisscom. Diesen Artikel widme ich euch, damit man sich auch mal eine Meinung abseits der Lobby in der Swisscom Community oder anderen Orten machen kann.
Es stehen wichtige politische Entscheidungen an. Nehmt euch die Zeit und denkt ein wenig darüber nach.



Routerentwicklung

Mit den Internet Box Routern, hat Swisscom nun 3 Geräte dieser Produktegeneration in unterschiedlicher Ausführungen im Programm.
Die Internet Box Plus mit erweiterten Funktionen.
Die Internet Box Standard als abgespeckte Standard-Version.
Die Internet Box light für sehr einfache Anwendungen, angedacht zB. als CPE für die IP Telefonie, Swisscom Line (Ablösung economy Line)
Wie haben sich diese Router entwickelt?
Mit der Internet Box Plus wollte man einen Router auf den Markt bringen, welcher gehobenen Ansprüchen der Kunden genügt. Dies ist bisher nur mässig gelungen.
Die grössten Evolutionen dieses Gerätes waren bisher die Möglichkeit eigene DNS Server einzutragen (war lange Zeit zu Beginn nicht möglich!), einen einfachen VPN Server (erlaubt nur eine Roadwarrior Verbindung gleichzeitig) und der Möglichkeit eigene SIP Phones an das Gerät anzumelden. Weitere Funktionen sind an dieser Stelle nicht einer Erwähnung wert. Weiterhin gibt es aber zB. keine Funktion um die öffentliche IP auf einem nachgeschalteten Router abzubilden.
Im Herbst 2015 wurde mit der Einführung der Internet Box Standard, die Centro Serie im Privatkundenbereich endgültig abgelöst.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden monatlich immer noch leicht mehr Centro Router in Betrieb genommen als die Internet Box Plus. Obwohl diese stark vergünstigt angeboten wurde und bei Fiber Angeboten nur mit dieser die wirkliche Leistung des Anschlusses genutzt werden kann (1GE WAN Interface). Erst mit der Ablösung durch die Internet Box Standard wurden erstmalig mehr Internet-Boxen in Betrieb genommen. (Welch wunderliche Wendung :) )
Was diese Statistik zeigt: Nur sehr wenige Kunden interessieren sich überhaupt für ihren Router. Prinzipiell wird damit das kostenlos angebotene Gerät genommen. Obwohl man mit der Internet Box Plus Bedürfnisse einiger weniger User aufnimmt, interessiert sich der Grossteil einen Deut für diese Geräte.
Dies muss ziemlich frustrierend sein. Dem Wunsch vieler Kunden eine einfache Möglichkeit ihre eigenen Router zu betreiben können, kommt Swisscom aber bisher trotzdem nicht nach.
Zur Internet Box Light gibt es nicht viel zu sagen. Wird eingesetzt für Swisscom Line Anschlüsse, praktisch im Bundle mit einem HD Phone Montreux um auch hier eine weitere Gerätebindung zu generieren. Vorgesehen wäre hier mal noch ein Akkupaket gewesen. Dies wurde scheinbar gekanzelt, da ein lokaler Stromausfall beim Kunden das kleinste Problem ist.

Die Router müssen vom Kunden gekauft werden. Bei einem Providerwechsel können diese Geräte nicht mehr weiterverwendet werden. Mangels offener Architektur ist dies weder durch Einstellungen, noch durch alternative Software möglich.

Zu bemerken ist, das diese Geräte inkl. Entwicklung runtergerechnet auf einen Stückpreis von 500 CHF kommen! Wieso dieser hohe Preis in Kauf genommen wird, wird in diesem Artikel weiter unten gesprochen. Auf jeden Fall werden mit der Entwicklung der Internet Box aber keine Arbeitsplätze in der Schweiz generiert. Die Entwicklung dieser Geräte erfolgt softwaretechnisch in Frankreich und Polen. Wie kürzlich in der Swisscom Community bekanntgegeben wurde, wird die Plus Version der Internet-Box ab Ende Mai durch eine neue Version abgelöst. Die wenigen Kunden welche sich also wirklich für eine Plus Version interessierten, können also bald wieder ein neues Gerät kaufen. Wie nachhaltig!

HD Phones

Mit der Umstellung der Privatkunden auf die IP Telefonie, propagiert Swisscom sehr stark die eigenen HD Phones. Das man bei Swisscom auf Kundennachfragen gerne mal die alternativen Möglichkeiten übersah und es eine lange Zeit überhaupt nicht möglich war andere Geräte an das CPE anzumelden, dürfte die WEKO bei Gelegenheit sicherlich interessieren.
Aber wie haben sich die HD Phones eigentlich entwickelt?
Zu Beginn gab es das HD Phone Rousseau eines renommierten Telefonherstellers, welches im Betrieb mit der eigenen Basisstation auch an den Centro Routern betreiben lässt. Notabene ist es auch das einzige Set, dessen Bereich man mit einem Repeater erweitern kann! Dieses Gerät ist auch heute noch erhältlich.
Die zu Beginn erhältlichen HD Phone Arosa sowie Locarno waren nur kurz auf dem Markt. Beim HD Phone Locarno noch zu erwähnen, eine erste Generation dieser Geräte ist nicht Update-fähig und es gibt diverse Probleme mit diesem Produkt. Woraufhin man die erste Version als Sonderangebot verkauft hatte und wenig später die updatefähige Version mehr oder weniger heimlich ins Sortiment nahm. Mit der Einführung der "Eigen"-Entwicklung HD Montreux, war der Verkauf an diesen zugekauften Geräten (Arosa und Locarno) aber so oder so nicht mehr interessant.
Das viel beschworene HD Phone Montreux funktioniert bis heute aber noch nicht richtig! Diverse Probleme an der Software des Telefons sowie der Router sind auch heute noch nicht gelöst. Die HD Phone Kunden kennen die Prozedur mittlerweile auswendig und das Batteriefach wird mitunter relativ locker sitzen :)
Doch Swisscom hat auch hier natürlich Lösungen. Der liebste Kunde ist der, der mangels häufigem Gebrauch von den Problemen nicht viel merkt oder einfach konsterniert aufgibt. (Problem gelöst da wenige Meldungen...) Für andere steht immer mal wieder eine Betafirmware der Router zur Verfügung. Jedes mal werden da irgendwelche Probleme gelöst, aber nicht alle und neue kommen hinzu. Natürlich installiert der Kunden die Beta Software auch noch auf eigene Verantwortung.
Für ein geschlossenes Ecosystem eigentlich ziemlich peinlich...
Bei Swisscom ist man aber nicht dumm. Da ein Telefon mit Problemen nicht genügt und auch einige Funktionen vermisst wurden, fragte man den Kunden was man möchte. Heraus kam das HD Davos und Zermatt, welches auf der selben Plattform wie die verbugten Montreux's basiert.
Ob das jetzt dumm oder clever ist kann jeder selber entscheiden. Auf jeden Fall kann man damit hoffen, dass die Bugs auf allen Geräten die gleichen bleiben :)

Bis jetzt hat Swisscom noch keine Möglichkeit geschaffen, dass man die SIP Zugangsdaten zu seinem Telefonanschluss erhält. Dies wurde auf Druck der Kunden und freundlichem Nachfragen der Behörden auf Ende 2016 Anfangs 2017 versprochen. Ironischerweise von den Personen die mir vor Jahren sagten, dass sie dies NIE tun würden.

Zusammengefasst:

  • Vielen Kunden wurde in Beratungen verschwiegen, dass sie bei einer Umstellung auf IP Telefonie durchaus Alternativen zu den HD Geräten haben.
  • Wurde lange Zeit dank geschlossener Architektur der Betrieb anderer SIP Endgeräte verunmöglicht.
  • Haben viele Kunden ein Gerät gekauft, welches nur an einem Swisscom Anschluss funktioniert und teilweise schon nach kurzer Zeit nicht mal mehr von Swisscom verkauft wird. Böse Zungen behaupten, dass man die Geräte entfernte welche im Gegenzug zum Montreux sogar funktionierten..

Swisscom TV


Mit der Einführung von Swisscom TV 2.0 hat man die Gunst der Stunde genutzt um dieses Produkt nur noch über die IP Plattform anzubieten.
Das sehr beliebte Produkt Swisscom TV 2.0 hat also einen regelrechten IP Push verursacht. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben es läge an der "hervorragend" funktionierenden IP Telefonie oder der äusserst genialen Zwangsroutern ;)
Manko an Swisscom TV 2.0 ist, dass dieses Produkt nur als Bundle angeboten wird. Zu hoffen ist auf die Revision des Fernmeldegesetzes, welches vorsieht, dass man Produkte bundeln kann, sofern man diese auch einzeln anbietet. Bitte schaut das dieser Punkt so bleibt und gebt euch nicht der Swisscom Lobby hin!
Mit dem 4 Faser Modell der Schweiz, wäre somit in Zukunft möglich, dass man Swisscom TV über eine Faser bezieht, den Internet Access aber über eine andere Faser. (Sofern Swisscom TV so oder so nicht als OTT Produkt angeboten wird)
Wieso wird jetzt Swisscom TV plötzlich von Interesse in diesem Zusammenhang?
Swisscom TV ist als Zugpferd und Motor der Swisscom anzuschauen. Leider werden einem damit andere weniger gute Produkte quasi untergejubelt. Zudem ist die starke Marktposition auch im Zusammenhang der Cinetrade, Teleclub Beteiligung der Swisscom anzusehen. So wird der Zugang zu den CT/TC Produkten gemäss anderen Anbietern nur diskriminierend angeboten.
Die Entwicklung von Swisscom bei einer Trennung der TV Services wäre sicher interessant und aus Konsumentensicht erfreulich.

Service

Swisscom schliesst noch in diesem Jahr 6 Callcenter. Den Angestellten der Swisscom wird dabei überlassen, ob sie an einem der anderen Standorte weiterarbeiten möchten. Dabei werden Anreisen von über 1h als absolut normal und äusserst nachhaltig angesehen. Damit aber nicht alle Angestellten dieses Angebot annehmen, werden Dinge wie Homeoffice, welches man diesen Kundenberatern problemlos anbieten könnte, verwehrt. Auch dies dünkt mich sehr nachhaltig! Aber darum geht es gar nicht. Swisscom möchte gar nicht alle Angestellten weiter beschäftigen!
Stattdessen wird die Zusammenarbeit, beziehungsweise Auslagerung des Supports an andere Unternehmen intensiviert. Unternehmen die praktisch nahe der Deutschen Grenze sitzen und auch durch besonders gute Arbeitsbedingungen bereits ein Plätzchen im Kassensturz gefunden haben #ironie.
Weiter wird auch bereits einfacher Support an die freiwillige Swisscom Community (aka Lobbycenter) oder den kostenpflichtigen my Service weitergeleitet.
Dies finde ich krass.
Swisscom hat sich mit den höheren Preisen hauptsächlich über den Service behaupten können (und natürlich aus der ex-Monopolstellung) Diese Mitarbeitenden, welche tagtäglich mit Herzblut dabei waren, mit denen man noch Schwiizerdütsch sprechen konnte, haben sich über die Jahre mit dem Verweis auf das Online Kundencenter und Selfcaretools das eigene Grab geschaufelt und werden nun mit Füssen getreten.
Zum Glück streicht Swisscom nicht einfach diese Stellen. Nein sie schafft in anderen Bereichen auch neue. Aber irgendwie hat man es verpasst diesen Angestellten eine Umschulung anzubieten.
Aber warum auch? Die anderen Bereiche mit Produkten wie iO, Swisscom Docsafe oder my Cloud haben bis heute noch nicht richtig Fuss gefasst.
Kleiner Tipp. Fragt doch das nächste mal bei einem Anruf an die Swisscom, in welchem Callcenter man nun eigentlich gelandet ist...

Mit Routern (Stückpreis 500.-) an denen man nichts mehr einstellen kann. Mit Selfcaretools, Programmen und freiwilligen Lobbyisten in der Community, ersetzt man nicht den freundlichen Kontakt mit den Kunden. Mit dieser Aktion hat sich Swisscom das Herz aus der Seele gerissen!

Das man zur Durchsetzung dieser Massnahmen auch noch Endgeräte aufgezwungen bekommt. Das ist schon ganz schön dicke Post!

Fazit

Seit dem tragischen Abschied von Carsten Schloter stimmt vieles nicht mehr in dieser Firma.
Es dünkt der Konzern wird nur noch von Toner Heads geleitet, welche kein Verständnis für gute Produkte und Service hat.
Als Schweizer Bürger, als Kunde, sollte man sich fragen, ob man diesem Geschehen und dieser Entwicklung noch länger tatenlos zuschauen möchte.
Immerhin hat der Bund noch eine Beteiligung von 50% + 1 Aktie!

Das man als Unternehmen, welches die Schweiz schon im Namen trägt, welcher über eine lange Zeit mit der Schweiz und dem Bund verwurzelt ist, Arbeitsplätze an ausländische Unternehmen auslagert, gibt zu denken.
Das man mit fragwürdigen markt- und konsumentenfeindlichen Methoden den Cashflow aber weiterhin versucht hochzuhalten (bsp. Netfllixgate, bbcs Zugang, CT/TC, Routerzwang usw.), wird über kurz oder lang nicht mehr funktionieren. Schweiz erwache aus dem Dornröschenschlaf.
Das es auch anders geht, beweisen innovative Firmen wie init 7!

Dieser Artikel ist bewusst kontrovers geschrieben. Sicher gibt es zu allen Punkten positives wie auch negatives. Weiterhin steht dieser Artikel auch nicht im Zusammenhang mit der pro Service Public Initiative. Ich finde aber man soll nicht weiter auf die Drei Affen machen. Es ist Zeit für Taten!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.